Kommt die Besatzungsmacht mit der Tram?

Von mächtigen Feinden umgeben, bewahrt die kleine Stadt Neu-Isenburg tapfer ihre Eigenständigkeit. Mit niedrigsten Hebesätzen der Gewerbesteuer werden die Nachbarn wirtschaftlich niedergerungen. Und mit der Preisgabe des öffentlichen Raumes für den motorisierten Individualverkehr widersetzt sich die Stadt der drohenden Verkehrswende. Isenburg soll eine Oase für Autofahrer bleiben.

 

Größte Gefahr droht aber von jedem Eingriff des mächtigen Nachbarn Frankfurt. Seit Jahrzehnten lauert das Schreckgespenst der Eingemeindung. Wenn erst mal Frankfurter Straßenbahnen durch die Frankfurter Straße (unser Prachtboulevard braucht dringend einen anderen Namen!) rollen, dann stehen die feindlichen Truppen bald auch vorm Rathaus. Kein Wunder, dass unsere hauptamtliche Obrigkeit kein Argument gegen das Tramprojekt auslässt. Und sei es die Verschandelung unseres Boulevards durch die Oberleitung, wiewohl die Ästhetik dieses „Stadtbildes“ durch ein paar Drähte eher noch gewinnen könnte.

 

Vehement spricht sich unser Bürgermeister dagegen für die Regiotramlinie „Westtangente“ aus, die am Isenburg-Zentrum (IZ) enden wird. Irgendwie grotesk: der Reisende muss am Stadtwald die Tram verlassen, latscht einen Kilometer durch die Frankfurter Straße zum „IZ“, wo er mit der Tram „Westtangente“ dann weiterfahren kann. Nicht sehr bequem, aber so kann man das „Stadtbild“ eher genießen.

 

Eine nachhaltige Emanzipation vom großen Nachbarn geht eigentlich anders. Klein, aber fein, lautet die Devise. Eine Kombination von Verkehrsberuhigung, Fassadenwettbewerb und Straßenbahn würde der Frankfurter Straße tatsächlich so was wie ein Stadtbild verpassen. Um die neue Mitte könnte ein vorbildliches Stadtteilzentrum entstehen, wie es Frankfurt am Riedberg eben noch nicht hingekriegt hat. Anschauungsunterricht erhielt unsere Führungsriege ja kürzlich in Freiburg-Rieselfeld und Vauban, auch was den Nutzen von Straßenbahnen betrifft. Vielleicht wäre es auch effizienter, Landesmittel namens „soziale Stadt“ nicht für Straßenverkehrsprojekte zu verplempern, sondern zur Aufwertung der Hochhausquartiere im Westen der Stadt zu investieren (Merke: auch Landesmittel sind Steuergelder!).

 

Neu-Isenburg kann seine Autonomie behaupten. Aber nur mit Straßenbahn.

 

Die Montagsrunde

12.12.2012