Internationale Bauausstellung Rhein-Main

 

Ist nun endlich der Weg frei für die „IBA“?

 

Die Internationale Bauausstellung hat sich als Instrument der Stadtplanung bewährt, um mit innovativen Konzepten Impulse für einen Wandel in Regionen zu setzen. Schon weil ineffiziente lokale Vorhaben zu Gunsten der übergreifenden Maßnahmen entfallen können, sind die Kosten der IBA gerechtfertigt. Vor allem überzeugt aber der volkswirtschaftliche Nutzen für die Region, weshalb bundesweit derzeit gleich mehrere IBA-Projekte realisiert werden. Die IBA Rhein-Main wartet aber noch immer auf die Gunst geneigter Politik.

 

In Hessen steht ein Regierungswechsel an. Neue Mehrheiten ermöglichen jetzt die Realisierung lange aufgeschobener Projekte, so die schon vor rund 10 Jahren geforderte Internationale Bauausstellung zur Aufwertung des Ballungsraumes Rhein-Main. Bislang war das Projekt an der konservativen Mehrheit gescheitert, die erforderliche Landesmittel für die Regionalentwicklung verweigerte. Inzwischen hat sich die Schere zwischen wirtschaftlichem Reichtum und Stagnation der Lebensqualität weiter geöffnet. Mangelnde Kooperation der Kommunen und Kreise verhindert, dass Synergien und damit die Wirtschaftskraft zum Wohle der Bürger genutzt werden. Schon 1901 entstand durch das Stadtentwicklungskonzept IBA die berühmte „Mathildenhöhe“ in Darmstadt, aktuell wertet Hamburg seine nördlichen Stadtteile auf. Größter Erfolg aber bleibt die IBA „Emscherpark“, die den Strukturwandel im Ruhrgebiet 1989–99 bewirkte. International gewürdigte Folgewirkungen sind das Weltkulturerbe „Zeche Zollverein“, die Route der Industriekultur, die größte Dichte an Museen und Bühnen, die Ruhrtriennale, das Klavierfestival, die Kulturhauptstadt 2010 und dieses Jahr die „Emscherkunst“. In vieler Hinsicht ist der bettelarme Ruhrpott heute attraktiver als die steinreiche Rhein-Main-Region.

 

Nicht weniger ehrgeizig ist die IBA Basel 2020, die einen heterogenen Ballungsraum aufwertet, der sich über mehrere Staatsgrenzen erstreckt. Viele Schwächen ähneln durchaus südhessischen Verhältnissen. Wenn sich Gemeinden, Kreise, Kantone, französische Departements und sogar die Schweizer Eidgenossenschaft auf ein Konzept und dessen Finanzierung einigen konnten, sollte dies auch in Südhessen gelingen. Während die Arbeiten zur Tramlinie von Basel ins deutsche Weil am Rhein weit fortgeschritten sind, streiten sich bei uns Kleinstadtobrigkeiten noch um die Finanzierung, so dass die Frankfurter Tram vorerst an der Stadtgrenze kehrt macht.

 

Wohnungsmangel, weite Pendlerwege, Autostaus, Fluglärm, Zersiedelung, Gewerbekonzentration, Ghettobildung... Um die spezifischen Schwächen der Rhein-Main-Region anzugehen, braucht es auch spezifischer Ideen, wobei bewährte IBA-Projekte Anregungen liefern können.

 

Verkehr: Noch immer erreichen zwei Drittel der Pendler Frankfurt mit dem Auto, wo sie alltäglich ein Verkehrschaos anrichten. Die Heimatorte der Pendler im Umland ebenso wie Frankfurt selbst erinnern immer noch an das Ideal der autogerechten Stadt vor 50 Jahren. Wir brauchen die Verkehrswende.

 

-          Tram in die Region: Da das Frankfurter Stadtbahnnetz immer noch (wenige Ausnahmen) an den Gemeindegrenzen endet, können infolge des Autoverkehrs vor allem die kleineren Umlandgemeinden keine urbane Atmosphäre und ein städtisches Profil entwickeln. Nach dem Vorbild von Freiburg oder Zürich, vor allem aber vieler Französischer Städte, die eine Renaissance der Tram eingeleitet haben, sollte auch ein entsprechendes Netz in Rhein-Main entwickelt werden. Die Idee zielt nicht nur auf die dringend nötige Verkehrswende, sondern auf die Tram als Urbanisierungsvehikel. Gerade in Frankreich hat sich erwiesen, dass sich entlang der neuen Gleise innerstädtische Qualitäten entwickeln und die Quartiere entsprechend aufgewertet werden. Im Gegensatz zum lauteren Linienbus ist ein leise dahingleitender Tramzug Indiz für urbane Wertschätzung. Nur ins Dorf fährt keine Tram. Vor allem aber liefert der enorme Autoverkehr der Umlandgemeinden ein großes Potential für Straßenbahnen im dichten Taktverkehr.

 

-          Von der Regionaltangente zum Stadtbahnring: Die lange diskutierte Regiotram „Westtangente“ könnte dank gesicherter Finanzierung zügig realisiert und im zweiten Schritt („Osttangente“) zu einem Stadtbahnring komplettiert werden, wie er sich in vielen Metropolen bestens bewährt

 

-          Expressradwege: Bis zu 10 Kilometer ist das Fahrrad ein ideales Vehikel für Pendler, so die Wege kreuzungsfrei, eben und gut befestigt sind. Sternförmig könnten Expressradwege Umlandgemeinden mit der Frankfurter City verbinden.

 

Wohnen und Arbeiten: Frankfurt ist die pendlerreichste Stadt. Nirgends müssen mehr Werktätige mehr Strecke überwinden, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Das Gewerbe konzentriert sich fortschreitend auf wenige Standorte: neben Frankfurt werden auch Eschborn, Neu-Isenburg und der Flughafen bevorzugt.

 

-          Modell „Werkswohnungen“: In der Tradition früherer Industriekonzerne (z.B. Krupp) könnten im Umfeld von Gewerbegebieten bevorzugt Beschäftigte angesiedelt werden. Unter Verrechnung ersparter Mobilitätskosten könnte ein gemeinsames Finanzierungsmodell von Unternehmen, Beschäftigten und öffentlicher Hand entwickelt werden. Als Baukonzept sei auch auf die Beispiele der IBA Hamburg-Wilhelmsburg verwiesen. Ein geeigneter Standort wäre etwa das künftige Südquartier in Neu-Isenburg nahe des ausgedehnten Gewerbegebiets.

-          Wissenschaftsparks: Auch abseits der Hochschulstandorte kann wohnortnah innovatives anspruchsvolles Gewerbe angesiedelt werden. Durch ansprechende Architektur – Beispiele IBA Emscherpark (Ruhrgebiet) – werden auch strukturschwache Gemeinden aufgewertet.

-          Preiswert Bauen und Wohnen: Am Wohlstand der Region kann nur teilhaben, wer sein Gehalt nicht für teuren knappen Wohnraum und Heizkosten opfern muss. Die auf der Hamburger IBA präsentierten Beispiele für ökologische und zugleich kostengünstige Bauweise sollten für Rhein-Main weiterentwickelt werden, insbesondere Versionen des Selbstausbau-Wohnblocks.

 

KulturStruktur: Verteilt auf die Umlandkommunen sollten strukturelle Schwerpunkte zeitgenössischer Kultur in kleinen, aber feinen Gebäuden dargeboten werden. Ansätze gibt es schon: Realismusmalerei im Hanauer Schloss Philippsruhe, Videokunst in Ober Roden, Museum an der Grube Messel.

 

Landmarken: Der Abriss des Henninger-Turms beweist es schmerzlich: die Region braucht sichtbare, begehbare Landmarken zu ihrer Identität, auch und gerade im Umland. Gelungene Vorbilder entstanden reichlich bei der IBA Emscherpark.

 

Ein Flughafen für die Region: Ohne Minderung des allgegenwärtigen Fluglärms wird jede IBA in Rhein-Main zur Farce. Da sich neuerdings weltweit die meisten Airlines sich für kleinere, leise und sparsame Langstreckenjets entschieden haben, die Ballungsräume nonstop ohne Umsteigen an einem Luftfahrtdrehkreuz verbinden, sollte dieses Modell auch in Frankfurt realisiert werden. Wenn alle sechs relevanten deutschen Metropolregionen Gleiches anbieten, können der Betrieb lauter Großflugzeuge und zahlreiche Zubringerflüge entfallen, aufgrund der dann reduzierten Flugbewegungen ließe sich die Nachtruhe auf 22 bis 6 Uhr erweitern. Der Flughafen dient künftig der Region, und mehr nicht.

 

So könnte eine Versöhnung mit dem Flughafen gelingen, der sogar zur Attraktion wird, dank einer Flugzeugbegrüßungsanlage. Nahe des Schnittpunkts der Landebahnen oder auf der ehemaligen US-Recreation Area in Zeppelinheim würden nach dem Muster der Schiffsbegrüßung in Wedel und Cuxhaven die landenden Maschinen kommentiert, neben technischen Daten auch solche zu Lärm, Klima und Umweltbilanz der Flugzeugtypen. Eine kleine Tribüne böte der Attraktion den geeigneten Rahmen für „Plane Spotter“ und neugierige Spaziergänger.

 

 

Die Montagsrunde

Neu-Isenburg, 5.11.2013