Fragen an Tarek Al-Wazir

Perspektiven einer grünen Verkehrspolitik

- Fragen an Tarek Al-Wazir -

Mai 2014

Soziologen prophezeien einen gesellschaftlichen Wertewandel: Die gebildete Jugend wendet sich vom Statuskonsum ab, Auto und Flugtourismus werden von kreativen Angeboten verdrängt, die Transportnachfrage sinkt. Die Wertschöpfung verlagert sich auf immaterielle Leistungen, Wohnen und Arbeiten können am selben Ort stattfinden. Dagegen geht die Wirtschaftlobby von weiter steigender Konsumnachfrage und höherem Transportbedarf aus. Welches Szenario bildet den Rahmen für die hessische Verkehrspolitik?

 

Die „Wirtschaft“ konzentriert ihre Firmensitze auf wenige bevorzugte Prestige-Standorte wie Rhein-Main. Immer mehr Werktätige können die steigenden Immobilienpreise nicht tragen und müssen immer weitere Strecken pendeln; das Verkehrsvolumen steigt permanent. Dagegen werden in den „unattraktiven“ Ballungsräumen – Ruhrgebiet, neue Bundesländer – ganze Stadtquartiere abgerissen. Wie kann die Landesregierung einen strukturellen Ausgleich erreichen, der den Wohlstand – auch bundesweit - sichert und das Verkehrsvolumen begrenzt?

 

Bislang wurden Straßen- und ÖV-Planung in Hessen strikt getrennt. Ob Fulda-Frankfurt, „rechtsmainische“ S-Bahn oder Westtangente: bevor die neuen Schienen liegen, ist die parallel verlaufende und viel teurere Schnellstraße schon fertiggestellt. Reicht es nicht, dass die öffentliche Hand Mobilität sichert, auch ohne Wahlfreiheit für einen perfekten Autoverkehr? Wann dürfen wir mit einer integrierten Verkehrsplanung rechnen, die uns Milliarden Steuergelder für doppelte Kapazitäten erspart?

 

Der Betrieb eines Autos verursacht jährlich ungedeckte volkswirtschaftliche Kosten von 2000 Euro. Rund 250 Euro blecht muss Steuerzahler jährlich aufbringen, damit der Nachbar steuerfrei fliegen kann. Wie wird Verkehr in Hessen kalkuliert? Immer noch gemäß BIP? Oder analog den Indikatoren des NWI (Nationaler Wohlstandsindex) oder der Enquete-Kommission „Wohlstand und Wachstum“?

 

Flugverkehr absurd:

-          Faktisch ist Kassel-Calden ein Verkehrslandeplatz, da nur allgemeine Luftfahrt betrieben wird. Selbst die gelegentliche Abfertigung von Verkehrsflugzeugen rechtfertigt juristisch nicht die enormen Betriebskosten eines Flughafens. Wann kommt endlich die Umstufung zum Landeplatz?

-          Eisern halten Fraport und Lufthansa am „Luftfahrtdrehkreuz“ mit veralteten Riesenfliegern, zahllosen Zubringerflügen und Betrieb bis in die Nacht fest. Der Weltmarkt hat sich indessen für dezentrale Fernflüge mit kleineren, sparsameren Flugzeugen entschieden. Das „Drehkreuz“ dient wahrlich nicht mehr dem öffentlichen Interesse. Also haben alle Fluglärmgeschädigten vollen Anspruch auf Lärmschutz und Entschädigung (nicht nur die „Tagesschutzzone“).

Wann dürfen Steuerzahler und Flughafenanrainer wieder an den Rechtsstaat glauben?