Braucht Gateway Gardens einen S-Bahn-Anschluss?

Elite-S-Bahn statt Massentram?

223 Millionen soll die Verlegung der Tunnel-S-Bahn zum Frankfurter Flughafen kosten, damit derzeit rund 3.000 Beschäftigte bequemer ihren Arbeitsplatz im Gewerbegebiet „Gateway Gardens“ erreichen können.

Nach Abzug der US-Truppen wurde ein Areal zwischen Flughafen und Frankfurter Kreuz frei. Im Zuge des Flughafenausbaus soll die Fläche zum Gewerbestandort für über 15.000 Arbeitsplätze entwickelt werden, dessen Attraktivität auch durch eine S-Bahn-Anbindung gesichert werde. Daher ist eine südliche Verlegung der vorhandenen Tunnelstrecke zum Flughafen geplant, um eine unterirdische Station am neuen Gewerbegebiet errichten zu können. Ein sehr kostspieliges Unterfangen, da die alte Trasse vollständig zurückgebaut und renaturiert werden muss. Mitgenutzte alte Tunnelabschnitte sind vorschriftsmäßig den heutigen Normen anzupassen.

Mehrere Buslinien bedienen schon heute in recht dichter Taktzeit das Gelände. Dennoch ist das S-Bahn-Projekt bereits planfestgestellt. Aber wer sich in das eher trostlose Ambiente aus viel Asphalt, Gestrüpp, Fluglärm und wenigen, wie verloren wirkenden Monumentalbauten verirrt, mag an der Prophezeiung von 15.000 Jobs am künftigen „Standort“ zweifeln. Auch der prachtvolle Bau des „HOLM“ (House of Logistics and Mobility) samt zahlreicher Tagungen im Auftrag der Landesregierung können keine Euphorie für das vermeintliche Vorzeigeviertel entfachen. Die Örtlichkeit entspricht so recht der schon 50 Jahre alten Klage Alexander Mitscherlichs von der „Unwirtlichkeit unserer Städte“. Haben die Planer nichts dazugelernt?

Im benachbarten Neu-Isenburg schaffen schon heute über 20.000 Werktätige, überwiegend Einpendler, die das Gewerbegebiet mit dem Auto erreichen. Gleichzeitig fahren fast 10.000 Isenburger zum Job außerhalb der Stadt, meist auch mit dem Auto. Denn Innenstadt und Gewerbegebiet haben immer noch keinen Bahnanschluss. Demnächst entstehen ein weiteres Wohnareal (Birkengewann) und ein Mischgebiet (Südquartier), also noch mehr Mobilitätsbedarf. Zugegeben: auch Neu-Isenburg ist wahrlich kein Glanzstück intelligenter Stadtentwicklung. Aber Pläne für eine Straßenbahn durch die Stadtmitte nach Frankfurt und eine Regiotram vom Gewerbegebiet zum Flughafen („Westtangente“) gibt’s schon lange. Deren Realisierung wäre um ein Vielfaches nutzbringender und kostengünstiger als die teure Tunnel-S-Bahn nach Gateway Gardens.

Jene Nutzen-/Kostenrechnung, die eine Wirtschaftlichkeit des S-Bahn-Projekts nachweist, scheint da kaum plausibel, auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse. Weil sie gut 400 Millionen Euro am Nürburgring in den Sand gesetzt hat, wurde die Rheinland-Pfälzer Regierung in die Knie gezwungen. Allein mit dem Kasseler Flughafen und dem S-Bahn-Projekt müssten die Hessischen Volksvertreter über 500 Millionen verantworten.

Lange nach dem Abgang der präsidialen Lichtgestalt Roland Koch leidet die Region an dessen dubiosen Prestige-Projekten: z.B. Nordwest-Landebahn, Terminal 3, Flughafen Kassel-Calden und eben Gateway Gardens samt S-Bahn. Der amtierende grüne Wirtschafts- und Verkehrsminister hat nun den harten Job, im Einvernehmen mit Kommunen und Kreisen die längst beschlossenen, teuren Irrtümer zu Gunsten dringender Infrastrukturmaßnahmen aufzugeben, auch wenn die nicht so spektakulär sind. Ein Rechtsstaat funktioniert nur dann, wenn er sich auch von vertraglich verabschiedetem Unsinn verabschiedet.

Die Montagsrunde, Neu-Isenburg, 10.11.2014, Tel. 06102 21336