Kein Ausbau A3

Gemeinsame Pressemitteilung Watt-Club und Montagsrunde, Nov. 2016:

Wozu noch breitere Autobahnen?

 

Der Kreistag Offenbach fordert, die ohnehin breite Piste der A3 zwischen Frankfurt-Süd und Hanau auf acht Spuren zu erweitern. Nicht nur angesichts der globalen Klimaschutzziele erscheint dieses Vorhaben absurd. Zweifellos verursacht die ungünstige Gewerbe- und Siedlungsstruktur unserer Region, auch im Kreis und dessen Kommunen, weit mehr Mobilität als in vergleichbaren Ballungsräumen. Und obendrein ist der Anteil des Autoverkehrs unverhältnismäßig hoch. Also bedarf es nicht breiterer Pisten, sondern eines klugen Konzepts, um den Autoverkehr zu mindern.

 

Ohnehin leiden die Anrainerkommunen der A3 – vor allem Neu-Isenburg - an den immensen Lärm- und Schadstoffemissionen dieser Verkehrsachse, gebündelt mit dem Flugverkehr. Wenn gegen 24 Uhr nach den letzten Ausnahmelandungen endlich das Nachflugverbot wirkt, bleibt die permanente Lärmkulisse der Autobahn. Statt die Piste zu verbreitern, sollte ein lärm- und auch schadstoffsenkendes Tempolimit gelten. Nachweislich ist die Kapazität von Fernstraßen bei etwa 80 Km/h am höchsten. Und nachts sollten LKW im Ballungsraum auf 60 Km/h gebremst werden, damit nicht nur den Neu-Isenburgern wenigstens eine kurze Nachtruhe gegönnt ist.

 

Die leidigen Autostaus werden nicht durch geringe Kapazitäten der Fernstraßen verursacht. Vielmehr fehlen ausreichende Zugverbindungen, zumal in Ost-West-Richtung, also etwa zwischen Hanau und dem Flughafen. Ohne die betroffenen Bahnstrecken zusätzlich zu belasten, ließe sich dieser Mangel beheben, indem die Pendlerzüge von und nach Frankfurt um einen Flügelzug verlängert und am Südbahnhof geteilt würden. Der Flügelzug würde in kurzer Zeit den Flughafen erreichen. Bis zur Realsierung der nordmainischen S-Bahn könnten kurzfristig die Kapazitäten durch Einsatz von Doppelstockzügen erhöht werden. Im Einvernehmlich sollten Politik, Verkehrsverbund und Nahverkehrsgesellschaften das Angebot von Bus und Bahn endlich am gesamten Verkehrsbedarf orientieren, und nicht nur an der Zahl der Fahrgäste, die derzeit freiwillig aufs Auto verzichten.

 

Grundsätzlich aber bedarf es einer intelligenten regionalen Strukturpolitik. Denn der ausufernde Verkehr resultiert wesentlich aus der unkoordinierten Ansiedlung von Gewerbe und Wohnquartieren. Nahe den bevorzugten Wirtschaftsstandorten sollte mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen. So wäre es wünschenswert, wenn viele der zahlreichen Einpendler, die in den Neu-Isenburger Gewerbegebieten schaffen, eine erschwingliche Heimstatt in den künftigen Wohnvierteln Birkengewann und Südquartier fänden. Nicht Gewerbesteuerhebesätze, sondern strukturelle Gesichtspunkte wie die Nähe zwischen Wohnen und Arbeiten sollten über die Gewerbeansiedlung in der Region den Ausschlag geben. Gerade die Stadt Neu-Isenburg könnte einen spürbaren Beitrag zu optimierten regionalen Strukturen leisten. Geringere Steuereinnahmen würden ja durch einen reduzierten kommunalen Finanzausgleich kompensiert.

 

Letztlich hängt aber der Autoverkehr – also auch auf der A3 – von den Präferenzen der Bürger ab. Solange das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel (ÖPNV) als unzureichend und relativ zum Auto als zu teuer empfunden wird, bleibt es bei den üblichen Konsum- und Mobilitätsgewohnheiten. Daher ist die Kostenwahrheit der Schlüssel zur Verkehrswende. Alle Kommunen des Ballungsraumes überlassen dem rollenden und vor allem dem ruhenden Autoverkehr den größten Teil des öffentlichen Raumes weitgehend gratis. Hieraus resultiert ein enormes Defizit, weitaus höher als jenes des ÖPNV. Wie in anderen europäischen Ballungsräumen erfolgreich praktiziert, sollte auch in Rhein-Main der Parkraum kostendeckend bewirtschaftet und zugleich günstige Abos für einen erweiterten ÖPNV angeboten werden („Push-Pull“-Konzept). Wenn die Preise unter Beachtung aller volkswirtschaftlichen Kosten stimmen, machen auch die Bürger bei der Verkehrswende mit. Dann brauchen wir sicherlich keine breitere A3.

 

Die Neu-Isenburger FDP war gar nicht einverstanden. Unsere Antwort:

 

Trotz FDP-Votum bleibt A3-Ausbau unsinnig

 

Auf die Gefahr hin, um so mehr als „unsachliche, emotionale Panikmacher“ zu gelten, die den Menschen „Vorschriften“ zur Verkehrsmittelwahl erteilen, wagt der Wattclub dennoch eine Stellungnahme zu den Vorwürfen der Neu-Isenburger FDP.

 

So sei daran erinnert, dass sich die Kommunen des Regionalverbandes – auch Neu-Isenburg – im Rahmen des Energiekonzepts Frankfurt/RheinMain ab 2050 zur Klimaneutralität verpflichtet haben. Größter Handlungsbedarf besteht beim Pendlerverkehr, der in unserer Region noch ganz überwiegend mit dem Auto abgewickelt wird. Zu rund 80% erreichen die Pendler Frankfurt weiterhin mit dem PKW, im Vergleich zu anderen Ballungsräumen ein sehr ungünstiger Wert. Dieses eher lokale Phänomen ist ja auch die Ursache für die Kapazitätsengpässe auf der A3, ungeachtet dessen, dass der Ausbau auf Bundesebene beschlossen wurde.

 

Unterstellt, dass auch die FDP den menschgemachten Klimawandel wahrnimmt und akzeptiert, befürwortet sie nun ein teures Ausbauvorhaben, dass im Zuge der erforderlichen Verkehrswende schon in wenigen Jahren überflüssig sein wird. Denn es ist ja kaum vorstellbar, dass bis 2050 jedes vorhandene konventionelle Auto durch je ein Elektrofahrzeug ersetzt wird und die Autobahnkapazität also erhalten bleiben muss. Für die Produktion und den Betrieb so vieler Vehikel würden die verfügbaren alternativen Energien kaum ausreichen. Ergo muss der Transportbedarf von Menschen und Wirtschaft sukzessive über den effizienteren Schienenverkehr bedient werden. Auch ohne Streckenausbau könnten schon jetzt mehr Pendler bequem mit mehr und längeren Zügen den Arbeitsplatz erreichen.

 

Es geht nicht um „Vorschriften“ zur Verkehrsmittelwahl. Im Gegenteil, jeder mag nach Belieben mobil sein, so er denn die Kosten trägt, die er verursacht. Derzeit tragen aber die Autofahrer keineswegs ihre immensen, von der Wissenschaft nachgewiesenen volkswirtschaftlichen Kosten wie Klimaeffekt, Schadstoffe, Lärm oder Flächenverbrauch. Das Defizit des Autoverkehrs übertrifft in unserer Region bei weitem jenes der öffentlichen Verkehrsmittel. Dagegen macht in anderen Metropolen die Verkehrswende schon große Fortschritte, weil die Verkehrsstruktur den effektiven Kosten angepasst wurde. In Wien, Kopenhagen oder Zürich ist die Lebensqualität mitunter viel höher als bei uns. Dort nutzen die Bürger ganz ohne „Vorschrift“ die neuen Verkehrsangebote und verzichten gern aufs Auto.

 

Zugleich bewirkt die Verkehrswende per Saldo einen Zuwachs an Arbeitsplätzen und Wohlstand, sowohl durch den personalintensiven ÖPNV als auch durch Aufwertung der Städte und Minderung der Folgekosten des Individualverkehrs. Trotzdem ist die kritische Haltung der FDP durchaus nachvollziehbar, gilt ihr primäres Interesse doch eher dem Erhalt und Wohlergehen der alten Autoindustrie.