Drive-in-Flaniermeile

Drive-in-Flaniermeile

 

Manche Idealisten wünschen auch für Isenburg eine urbane Flaniermeile: viele Passanten und Radler, wenige Autos, ab und zu eine Straßenbahn. Also jene typische „Hauptstraße“, die ein gehobenes Warenangebot in ansprechender Architektur präsentiert und an der spannendsten Stelle in einen Marktplatz mündet. Klar, dass diese Rolle nur die Frankfurter Straße einnehmen könnte.

 

17.000 Autos täglich scheinen diese Vorstellung zu verhindern. Schadstoffwerte knapp am Grenzwert, wer will da flanieren? Aber wir Isenburger flanieren doch längst. Eben anders. Motorisiert. Eine Untersuchung vom Beobachtungsposten einer Pizzeria ergab folgendes Ergebnis: auf 1.000 Autos kommen 50 Radler und 20 Fußgänger, wovon 17 ebenfalls Autofahrer waren, die den Weg vom Parkplatz zur Gastronomie notgedrungen zu Fuß zurücklegen mussten.

 

Bleiben die vielen Automobilisten. Bei genauer Beobachtung erzeugten diese nicht nur Durchgangsverkehr. Nein, gerade die stolzen Besitzer teurer Karossen rollten mehrfach vorbei, die Umgebung mit fröhlicher „Heavy Metal“-Musik beglückend. Manch euphorischer Gruß scholl Richtung Pizzeria. Das sind die wahren Flaneure des postkulturellen Zeitalters. Wie seinerzeit die Baronesse ihren neuen Hut auf dem Boulevard präsentierte, lassen heute stolze Geländewagenfahrer ihre Mitmenschen am metallic-glänzenden Glück teilhaben.

 

Wären da nicht die Stickoxyde. Aber wenn wirklich alle in ihren klimatisierten Karossen flanieren, hermetisch abgeriegelt von den bösen (wenngleich selbst erzeugten) Abgasen, kommt ja niemand zu Schaden. Im Übrigen setzt die Optik bulliger Privatpanzer Maßstäbe. Da kann man getrost auf teure, ästhetisch anspruchsvolle Gestaltung und Architektur des Boulevards verzichten. Hauptsache, die Autos können weiterhin hindernisfrei rollen.

 

Eine schreckliche Vision, findet

 

die Montagsrunde

 

 

Neu-Isenburg, den 10.9.2012

Montagsrunde/wg