Störe meine Kreisel nicht!

Jeder Protest kommt zu spät! Die Bagger rollen an. Der gewaltige Kreisverkehr an der Kreuzung der Hugenottenallee mit der Carl-Ulrich-Straße nimmt Gestalt an. Gut 1,7 Millionen Euro Steuergelder garantieren mehr Bestand als seinerzeit die Kreise des Archimedes, die doch nur auf Sand gebaut waren.

 

Für die Visionäre einer Green City ist es wohl der Sündenfall schlechthin. Für unsere konservativen Gläubigen der autogerechten Stadt ist es aber die perfekte Lösung. Allen voran scheint unser Erster Stadtrat den Autoverkehr als Naturgewalt zu begreifen („meistbefahrene Straße“), die nur durch immer breitere, solide asphaltierte Flussbetten zu beherrschen ist. Andernorts sind Intensität und Wegstrecke des Verkehrs sowie die Wahl des geeigneten Verkehrsmittels Resultat kluger Planung und Politik.

 

Zum Wahrzeichen der Stadt gereicht das neue Rondell allenfalls den Modellbahnfreunden, deren Stellwerkhäuschen nun einen sehr prominenten Platz einnimmt. Die anderen müssen auf die monumentale Symbolkraft einer Place de la Concorde, des Piccadilly Circus oder Großen Sterns verzichten. Zugegeben: solche Vergleiche hinken. Nicht Obelisken, Siegessäulen oder Triumphbögen, ein erhabenes Reiterstandbild unseres verehrten Landrats Quilling hätte es auch getan. Aber begnügen wir uns vorerst mit dem erhaltenswerten Stellwerkhaus, dessen Gebrauchswert und Ästhetik allerdings leiden werden, wenn seine dem Autoverkehr hinderliche Eingangstreppe abgebrochen wird.

 

Trost sei aber den Visionären gespendet. Sie müssen ihre Vorstellungen eines verkehrsberuhigten öffentlichen Raumes, ja, den Traum vom zentralen Marktplatz zwischen Konsumtempel „IZ“ und neuer Mitte nicht begraben. Es war der legendäre holländische Planer Hans Monderman, Schöpfer jener inzwischen sogar in Deutschland bewährten Verkehrberuhigung namens „Shared Space“, der zur Besänftigung des Autoverkehrs den Kreisverkehr als Ausgangspunkt urbaner Flächen empfohlen hat. Gebremst durch den Kreisel, rollt der Autofahrer gemächlich ins Innerstädtische, das er sich mit allen anderen Verkehrsteilnehmern ohne „Vorfahrt“ redlich teilt. So hat uns die oppositionelle SPD „Shared Space“ vor geraumer Zeit überzeugend präsentiert. Und vielleicht hat auch der Erste Stadtrat den neuen Kreisel in diesem Sinne begriffen.

 

Dann, und nur dann, wollen wir seinen Kreisel nicht stören.

 

Neu-Isenburg, 6.8.2012

Montagsrunde/wg